Hier kommen nach Teil 1 (Zielsprache, Publikum und Zweck nennen, kein PDF) und Teil 2 (gute Ausgangstexte, eindeutige Einheiten, Glossar/Abkürzungsverzeichnis) noch 3 Punkte, mit denen Sie die Übersetzungsqualität erhöhen und Rückfragen minimieren können – und nebenbei Ihrem Übersetzer das Leben viel einfacher machen.
Planen Sie Übersetzungen zeitlich ein
Viele Übersetzer machen folgende Erfahrung: Eine Übersetzung für ein laufendes Projekt wird angefragt, dann wird die Lieferung des Ausgangstextes vom Kunden mehrfach verschoben, die Übersetzung soll aber zur ursprünglichen Deadline oder innerhalb einer viel kürzeren Frist erfolgen als ursprünglich vereinbart. Der Übersetzer soll also den Veröffentlichungstermin retten, den sein Kunde gefährdet hat. Das ist zum einen nicht immer machbar – die Lieferzeiten, die wir beim Angebot an Sie angeben, sind ja nicht aus der Luft gegriffen – und zum anderen teuer, denn Nachtschichten und Wochenendarbeit sind nicht zum Standardtarif zu haben.
Eine Kollegin berichtete mir erst kürzlich, dass sie, nachdem sie in so einem Fall alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um die Übersetzung doch noch zum ursprünglichen Termin zu liefern, aus dem Haus des Kunden erfahren hat, dass der zuständige Abteilungsleiter ohnehin gerade in Urlaub sei und die Übersetzung jetzt eine Woche auf dessen Schreibtisch Staub ansetze. Als vollkommen unnötig empfundener Stress trägt, wie Sie sich denken können, nicht zu einer guten Lieferantenbeziehung oder zu zukünftigem außergewöhnlichem Engagement bei.
Berechnen Sie deshalb aus purem Eigeninteresse bei der Projektplanung auch realistische Zeitspannen für Übersetzungen ein. Wenn Sie diese nicht gut einschätzen können, fragen Sie Ihren Übersetzer! Überlegen Sie, ob Ihr Prozess für die Erstellung von größeren Texten (Handbücher, …) so optimiert werden kann, dass Abschnitte oder Kapitel als Milestones geschrieben, editiert und finalisiert werden, damit auch der Übersetzer frühzeitig mit seiner Arbeit beginnen kann. Falls sich danach noch kleinere Änderungen ergeben sollten, sind Korrekturen in den meisten Fällen billiger, als den gesamten Text zu Projektende mit Expresszuschlag übersetzen lassen zu müssen.
Fügen Sie Referenzdokumente bei
In der Regel schicken Kunden Ihrem Übersetzer nur das zu übersetzende Dokument. Dieser wendet dann nach eigenem Ermessen Zeit für Recherchen auf: Wie ist die Unternehmenswebseite, wie sind verfügbare PDF-Dokumente geschrieben? Gibt es dort Texte, die in allen aktuell beauftragten Sprachen verfügbar sind und die eventuell zur Alignierung in ein Translation Memory oder zur Terminologieanalyse taugen? Gibt es vielleicht Vorgängerversionen des beauftragten Textes? Sind Ausschnitte des Textes anderswo im Netz verwendet worden und wenn ja, wie? Wie schreiben die inländischen und ausländischen Wettbewerber des Kunden, wo gibt es also einzuhaltende Standards und wo kann der Kunde sich sprachlich von der Konkurrenz absetzen?
Wenn Sie Ihrem Übersetzer verfügbare Referenzdokumente zukommen lassen, insbesondere mehrsprachige Vorgängerversionen des gleichen Textes, ersparen Sie ihm viel Zeit, die er gewinnbringender auf die eigentliche Übersetzungsarbeit verwenden kann. Zu den begehrtesten Referenzen zählen vorhandene Translation Memories, Glossare/ Termbanken/ Abkürzungsverzeichnisse, Vorgängerdokumente, Quellennachweise für Zitate (vielleicht gibt es zu dem Zitat schon offizielle Übersetzungen?), aber auch Übersetzungen anderer Texte, aus denen der Übersetzer Ihren Firmenstil ersehen kann.
Selbst wenn Sie mit einer älteren Übersetzung nicht zufrieden waren, können Sie anhand des « schlechten Beispiels » Ihrem Übersetzer zeigen, welche Probleme Sie hatten und was Sie in Zukunft anders haben möchten — insbesondere, wenn Sie gerade den Übersetzer gewechselt haben, lohnt es sich, gezielt zu sagen: « Bitte versuchen Sie in diesem Punkt nicht, den Terminus/ Stil/ Fehler/ … Ihres Vorgängers beizubehalten, bitte machen Sie es in Zukunft so und so. »
Vermeiden Sie Brückenübersetzungen
Es ist eine Tatsache, dass jede Übersetzung dem Verständnis des Übersetzers entspringt. Das heißt, jede Übersetzung ist ein Stück weit Interpretation, denn in den seltensten Fällen sind Übersetzungen wortwörtliche Wiedergaben. Daraus folgt, dass bei Übersetzungen vom originalen Ursprungstext in eine Fremdsprache in der Regel qualitativ hochwertigere, treffendere und genauere Übersetzungen entstehen, als wenn das Original erst in eine « Brückensprache » (meist Englisch) und dann von dort weiter in andere Sprachen übersetzt wird. Gerade im Englischen wird aus deutscher Sicht aber oft schwammig formuliert, während z.B. Amerikaner häufig stöhnen, wie unnötig kompliziert das Deutsche doch sei. Um es mit Mark Twain zu sagen:
Aufgrund meiner philologischen Studien bin ich überzeugt, dass ein begabter Mensch Englisch […] in dreißig Stunden, Französisch in dreißig Tagen und Deutsch in dreißig Jahren lernen kann. […] nur die Toten haben genügend Zeit, [Deutsch] zu lernen.
Wenn also beispielsweise ein französischer Text erst ins Englische übersetzt wird, werden unweigerlich Bedeutungsnuancen verschoben oder verloren gehen. Wenn der englische Text wiederum ins Deutsche übersetzt wird, werden wiederum leichte Unterschiede in der Hauptbedeutung, in Nebenbedeutungen, in Konnotationen (transportierten Gefühlen) entstehen. Selbst im Ausgangstext wird das Gesagte nicht immer zu 100% dem Gemeinten entsprechen, daher obliegt es jedem Leser – und Übersetzer! – sich « einen Reim darauf zu machen » oder bei zweifelhaften Stellen mit Ihnen Rücksprache zu halten. Sie verbessern in jedem Fall die Qualität des Endergebnisses, wenn Sie keine zusätzliche Quelle für Deutungsspielräume oder sogar Fehler in den Übersetzungsprozess einbauen.
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