Hier kommen nach Teil 1 (Zielsprache, Publikum und Zweck nennen, kein PDF) noch 3 Punkte, mit denen Sie die Übersetzungsqualität erhöhen und Rückfragen minimieren können – und nebenbei Ihrem Übersetzer das Leben viel einfacher machen.
Formulieren Sie verständlich und kulturneutral
Für die Verständlichkeit von Texten gibt es viele Bewertungskriterien, darunter auch die automatisch errechenbaren Lesbarkeitsindices. Diese stützen sich zum Beispiel auf die Satzlänge, die relative Häufigkeit von Fremdwörtern, Passivsätzen, zusammengesetzten Hauptwörtern wie Donaudampfschifffahrtskapitänsmützenhalterbefestigungsschraubensatz, die Verwendung nominalisierter Verben (statt: „… wie häufig Sie Verben verwenden“), etc.pp.
Für eine hohe Textverständlichkeit „im Web“ führt die Wikipedia folgende „verbreitete“ Kriterien für muttersprachliche Texte an: Sätze sollen kurz und einfach gehalten werden. Das heißt, sie sollen nicht länger als 7-11 Wörter sein und wenn möglich keine Einschübe enthalten. Die meisten Nebensätze können Sie in eigene Hauptsätze ausgliedern. Idealerweise formulieren Sie verbal statt nominal: Sie bemühen sich also darum, Verben als Verben zu verwenden und nicht unnötig in Nomen zu verwandeln (keine unnötige Verwandlung in Nomen). Wenn Sie kein Fachpublikum mit dem Text adressieren, sollten Sie allgemein verständliche Wörter statt Fach- und Fremdwörter verwenden. Notwendige Fachbegriffe sollten Sie dann im Text erklären. Auch Verneinungen formulieren Sie besser in positive Sätze um, insbesondere das Wörtchen nicht wird nicht oft nicht überlesen und trägt nicht zur Verständlichkeit bei. Außerdem geht ein „nicht“ bei Änderungen leicht verloren, siehe folgender Screenshot:
Sie helfen Ihrem Übersetzer noch mehr, wenn Sie außerdem darauf achten, kulturelle Anspielungen und Wortwitze zu vermeiden. Das reicht von Anspielungen auf bestimmte Nationalsportarten über lokale Ereignisse bis zu Redewendungen. Viele dieser kulturbezogenen Elemente können zwar in etwas Entsprechendes übertragen werden. Wundern Sie sich aber nicht, wenn Ihr Übersetzer nachfragt, was eigentlich gemeint war und wie wichtig Ihnen der gag oder der double sens ist. Im Zieltext kann dann zum Beispiel von Tennis statt Fußball die Rede sein. Es gibt natürlich Szenarien, in denen aus Marketinggründen ein klarer kultureller Bezug gegeben sein soll – in diesem Fall bespricht Ihr Übersetzer natürlich gerne mit Ihnen, wie die Botschaft im Zielland bestmöglich an den Mann/die Frau gebracht werden kann.
Achten Sie auf Ihre Maße
Nein, ausnahmsweise haben die Maße nichts mit dem BMI zu tun.
Innerhalb der EU wurde das metrische System als verbindlich festgelegt und auch eingeführte Waren und Dokumentationen müssen ausschließlich SI-Angaben enthalten. In Nordamerika rechnet man hingegen weiterhin im „imperialen“ Duodezimalsystem, in dem man übrigens mit einer Hand bis 12 und mit zwei Händen bis 156 (12 x 12 + 12) zählen kann statt nur bis 10. In Asien sind weitere Zählsysteme verbreitet. Dazu kommen unterschiedliche Einheiten, zum Beispiel für Druck (Pascal oder psi?) und unterschiedliche Normen, zum Beispiel für die Netzspannung (verbreitet sind 110 und 220 Volt).
Klären Sie unbedingt vorher mit Ihrem Übersetzer, wer für die landestypische Anpassung von Einheiten und die notwendigen Umrechnungen verantwortlich ist. Dies erspart beiden Seiten viele graue Haare.
Im erweiterten Sinn gilt dies sogar für Ihre Kontaktdaten, denn gebührenfreie Rufnummern gelten nicht für Auslandsgespräche und für Ausländer sind internationale Vorwahlen wichtig. Denken Sie also daran, diese länderspezifischen Daten überall im Text auszutauschen.
[Edit 05.08.2014] Im Zusammenhang mit dem nächsten Punkt steht auch folgende Beobachtung: „Im allgemeinen Gebrauch bezeichnet die Einheit ‚Baud‘ [Bd] eines Modems, wie viele Bit pro Sekunde es senden oder empfangen kann. Technisch korrekt bezeichnet das ‚Baud‘ aber die Anzahl von Signaländerungen pro Sekunde eines Trägersignals – zum Beispiel arbeitet ein 1200 Bit pro Sekunde schnelles Modem tatsächlich bei 300 Baud, kann aber pro Baud 4 Bit an Informationen transportieren ( 4 bit × 300 Bd = 1200 bit/s ).“ Wenn Einheiten nicht eindeutig gebraucht werden, markieren Sie im Text selbst oder im Glossar, welche „Lesart“ bei Ihnen gilt. Dann kommt Ihr Übersetzer nicht in Versuchung, vermeintlich „falsche“ Werte zu korrigieren. Das Problem des uneinheitlichen Gebrauchs von Einheiten tritt zum Beispiel auch bei Kilo-, Mega-, Giga- (etc.) vs KiBi-, MeBi-, GiBi- (etc.) Byte auf.
Stellen Sie ein Glossar und ein Abkürzungsverzeichnis zur Verfügung
Insbesondere bei größeren Projekten sollten Sie im Idealfall ein Glossar mitliefern, in dem alle unternehmensspezifischen Begriffe enthalten sind. Dies gilt in noch größerem Maße für Abkürzungen: Rückfragen entstehen sehr oft, weil in einer technischen Abteilung selbstverständlich die Abkürzung „EE“ gebraucht wird, aus dem Kontext aber nicht erkennbar ist, ob z.B. von „erneuerbaren Energien“, „Energieeffizienz“ oder „Elektrik und Elektronik“ die Rede ist oder ob die Abteilung die in die Anlage einzubauende Hochdruckpumpe „Einbaueinheit“ nennt und daher EE statt HDP (oder HPP?) abkürzt. Wenn verschiedene Abteilungen (z.B. F&E, Marketing und Kundendienst) einen Gegenstand unterschiedlich benennen, verschlimmert sich das Problem.
Ihr Glossar kann einsprachig oder mehrsprachig sein oder sogar eine richtige Terminologie darstellen, das heißt, geprüfte und für Ihr Unternehmen verbindliche Benennungen von Begriffen beinhalten. Falls bisher kein Glossar existiert, fragen Sie Ihren Übersetzer, ob er eines erstellen und Ihnen zur Prüfung zuschicken kann. Wenn Sie bereits über ein einsprachiges Glossar verfügen, fragen Sie Ihren Übersetzer, ob er Ihnen mit der Übersetzung ein zweisprachiges Glossar liefern kann. Dieses können Sie dann nochmals in Ihren Abteilungen und im Zielland verifizieren und vom Management absegnen lassen. Danach kann es unternehmensweit und für alle zukünftige Übersetzungen als verbindlich erklärt werden. Auf diese Weise schaffen Sie Konsistenz in der gesamten Kommunikation und verringern zeitraubende Nachfragen.
Ein tekom-inspiriertes RoI-Rechenbeispiel: Wenn Sie 120 Mitarbeiter (40€/h) und 30 externe Dienstleister (75€/h) haben, die pro Jahr und Anwender 200 Benennungen nachschlagen müssen, wofür sie ohne Glossardatei/Terminologiedatenbank vielleicht 10 Minuten benötigen, mit Glossar/TDB aber nur 30 Sekunden, dann sparen diese Menschen pro Jahr etwa 3.800 + 950 = 4.750 Stunden Arbeitszeit und 15.200 + 71.250 = 86.450 Euro ein. In größeren Unternehmen wachsen die Einsparungen erheblich. Warum sich Terminologie lohnt, können Sie auch den Präsentationen des Stuttgarter Instituts für technische Literatur (PDF) und dieser eindrücklichen tekom/Acrolinx-Präsentation (PDF) entnehmen.
Sie haben eigene Erfahrungen gemacht, was Übersetzungsaufträge vereinfacht und beschleunigt? Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare!
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