Nachdem ich im Herbst 2014 die technik-orientierte Reihe von Übersetzerseminaren vom Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. in Kooperation mit der Universität Hildesheim besuchen konnte, war ich Mitte Oktober 2015 wieder mit dabei, diesmal bei einer dreitägigen – und dreisprachigen – Einführung in die „Grundlagen der Elektrotechnik“.
Christopher Köbel von DeFrEnT hatte vom 10.-12. September 2015 mit 4 Kollegen und 27 Kolleginnen die Gelegenheit, an der Universität Hildesheim die Essentials der E-Technik zu erlernen.
Der erste Tag begann sehr theorielastig bei den bekannten elektrischen Grundeinheiten wie Strom (I, Ampere [A]), Spannung (U, Volt [V]) und Leistung (Watt [W]), den gegenseitigen Kehrwerten Widerstand (R, Ohm [Ω]) und Leitwert (Siemens [S]), bis zu weniger bekannten elektromagnetischen Einheiten wie Ladung (Coulomb [C]) und Stromdichte ([J]), bevor die TeilnehmerInnen sich in das Themenfeld Gleichstrom einarbeiteten: Zwischen Stromquellen, Stromkreisen, Kurzschlüssen, Reihen- und Parallelschaltungen und den Kirchhoffschen Gesetzen schwirrte uns bald der Kopf und wir waren froh über die drei über den Tag verteilten 10-minütigen Pausen.
Die TeilnehmerInnen erfuhren so auch die Zusammenhänge und abgeleitete Größen wie Energie (Wattsekunden [Ws], Joule [J] oder Elektronenvolt [eV]), Leistung (Energie/Zeit), Arbeit (Kraft × Weg), was es mit der „Nennleistung“ und dem „Wirkungsgrad“ auf sich hat, welche Energien typischerweise in elektrische Energie umgewandelt und wieder zurückgewandelt werden und wie man mit Sankey-Diagrammen den Zu- und Abfluss von Energie beispielsweise in Häusern visualisiert. Zum Schluss des ersten Tages wurden außerdem beispielhaft die „Energiemixe“ und die Zusammensetzung der Strompreise in Deutschland, Frankreich und den USA präsentiert.
Dabei besprachen wir einzelne Themen immer direkt hintereinander in Deutsch und in Englisch, bevor sich am späten Nachmittag etwa die Hälfte der TeilnehmerInnen gesondert an die Aufarbeitung der Themen in Französisch machte – was aus meiner Sicht auch eine gute Wiederholung des tagsüber gehörten Fachwissens darstellte und zusätzlichen Nachfragen Raum gab. Den Tag beschlossen wir dann alle gemeinsam in einem der Hildesheimer Restaurants, bevor sich die meisten früh zu Bett begaben, um das Essen und die Menge an Stoff zu verdauen – nur vier Kollegen, darunter auch ich, blieben noch länger wach, weil wir vor dem Wochenende noch Aufträge abzugeben hatten…
Am zweiten Tag stiegen wir frohgemut und neugierig in den Themenkomplex elektrische Felder ein und lernten dabei auch so einiges über die Durchschlagsfestigkeit von Stoffen, Dielektrizität, Permettivität und Kapazität, bevor wir mit diesem Wissen die Bauarten, die Funktionsweise und das Verhalten von Kondensatoren näher beleuchteten – und natürlich auch, warum der „Strom der Spannung vorauseilt“, obwohl das mit einer ganzen Reihe von Nachfragen und mehreren Zeigerbildern und Verlaufsbildern an der Tafel verbunden war.
Nach der obligatorischen Wiederholung in Englisch und einer Pause kamen wir dann auf die magnetischen Felder, auf Lorentzkraft und auf Induktivtät zu sprechen, die in allen möglichen Geräten – von Türöffnern über Tachometer bis hin zu Generatoren und Elektromotoren aller Art – eine Hauptrolle spielen. Einen kleinen aber spannenden Exkurs gönnten uns die Dozenten dann in Bezug auf die Magnetfelder, die für die Kernspintomographie von flüssiggasgekühlten Supraleitern erzeugt werden. Und natürlich auch, warum in einer Spule der „Strom der Spannung nacheilt“, was mit genausovielen Nachfragen und Tafelskizzen verbunden war wie bei den Kondensatoren.
Am Ende des zweiten Tages – nachdem auch die Französischgruppe mit ihrer Terminologie-Aufarbeitung fertig war, trafen sich wiederum einige Kollegen in verschiedenen Hildesheimer Gaststätten, um den Tag Revue passieren zu lassen, während sich andere von uns nach kurzem Mahl wieder zeitkritischen Übersetzungsaufträgen widmeten.
Am dritten Tag kamen wir endlich auf Wechselstromkreise zu sprechen und beschäftigten uns mit deren Frequenz (f, Hertz [Hz]) bzw. Periodendauer (T, Sekunden [s]), der Geschichte von Gleich- und Wechselspannungsnetzen, den in jedem Land leicht unterschiedlichen Abgrenzungen von Höchst-, Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetzen, dem weltweiten Siegeszug des Dreiphasenwechselstroms und der Erkenntnis, wieso Strommasten auf jedem Arm drei Leitungen (Phasen) und an der Spitze eine einzelne Rückleitung (Neutralleiter) tragen. Dazu gehörten dann zwar wieder theorielastige Themen wie die Abgrenzung von Schein-, Wirk- und Blindleistung, aber auch anschaulichere Themen wie Aufbau und Wirkungsweise von Transformatoren oder aktuelle Technologien der Stromerzeugung (Atom, Gas und Kohle sowie die „erneuerbaren Energien“), Stromspeicherung (Batterien, Akkumulatoren, Pumpspeicherkraftwerke und Power-to-Gas) und Stromübertragung (Freileitung, Drehstromkabel, gasisolierte Leitungen und die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung HGÜ).
Zum Abschluss des Seminars ging es dann doch noch von der Theorie in die Praxis: Mit den Elektrobaukästen der Uni Hildesheim konnten wir eigene Stromkreise aufbauen und mit Hilfe von Multimeter und Oszilloskop das Theoriewissen über Kondensator, Induktivität und Dioden „zum Anfassen“ überprüfen – wobei es bei einigen vorher Ratlosen endlich den entscheidenden „Klick“ machte. Dies war dann auch die Hauptkritik in der Abschlussbesprechung: Wir hätten uns diese Praxiseinbindung etwas früher gewünscht, weil sie uns die elektrotechnische Theorie deutlich verständlicher machte.
Als kleines Extra für die, die am Samstagnachmittag nicht sofort weg mussten, gab es noch eine Spritztour im Elektroauto Volkswagen eUp der Uni Hildesheim, was die Fahrer des kleinen Vehikels davon überzeugte, dass Elektromobilität schon eine tolle Sache wäre, wenn Autoindustrie und Politik sie nur endlich ernst nehmen und entsprechend fördern würden. Dabei gab es auch so einige Hintergrundinformationen, wieso das nicht geschieht und warum Elektroautos künstlich teuer gehalten werden (unter anderem führt die Wartungsfreiheit von Elektromotoren zu riesigen Verlusten beim Ersatzteilgeschäft mit Motoren, Auspuffanlagen und Getrieben, aber langfristig auch zur Schließung dutzender dann unnötiger Werkstätten, also politisch hochbrisanten Jobverlusten). Spätestens, wenn die bei der diesjährigen IAA vorgestellten Elektroautos mit über 500km Reichweite in Serie gehen, gibt es aber eigentlich überhaupt keinen Grund mehr, auf Verbrenner zu setzen – oder gar die Motorsteuerung mit Schummel-Apps ausstatten zu müssen, um Abgaswerte einzuhalten.
Fazit: Ein hochspannendes Seminar rund um die Elektrotechnik mit umfangreichem Grundwissen in meinen drei Arbeitssprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Genug, um sich als Übersetzer elektrotechnischer Texte nicht nur von Satz zu Satz zu hangeln, sondern den Inhalt wirklich zu verstehen und beim Übersetzen auch mögliche sachliche Fehler oder Ungereimtheiten entdecken und dem Kunden Hinweise auf länderspezifische Abweichungen geben zu können. Zusammen mit der umfangreichen Link- und Literaturliste habe ich nun einen weiteren Wissensbaustein, um die E-Technik-Anteile von Betriebsanleitungen im Bereich Maschinenbau und Industrie 4.0 professionell und kompetent übersetzen zu können. Bis hoffentlich im nächsten Jahr in Hildesheim!
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