Heute fiel mir bei einer Anfrage für eine Bedienungsanleitung wieder eine Frage über die Füße, die vermutlich nur einzeln von Projekt zu Projekt und in Absprache mit dem Kunden beantwortet werden kann: „Wie geht man als Übersetzer mit den in den technischen Dokumentationen referenzierten Normenwerken um?“
Genauer gesagt geht es um die Frage, ob Normnummern und -namen, also zum Beispiel die international harmonisierte Sicherheitsnorm „DIN EN ISO 20607 Sicherheit von Maschinen – Betriebsanleitung – Allgemeine Gestaltungsgrundsätze“ im Maschinenbau,
- vollständig angepasst werden sollten,
- ob sie wie im Originaltext bleiben, aber eine erklärende Übersetzung in Klammern oder einer Fußnote erhalten,
- oder ob sie gar nicht zu übersetzen sind.
Einen ersten Hinweis gibt der Geltungsbereich der Norm selbst: Handelt es sich um eine nationale (z.B. DIN, NF oder BS) oder eine international harmonisierte (z.B. EN oder ISO) Norm?
Wenn ein Produkt einer nationalen Norm entspricht, ist der Fall relativ klar: Die Bezeichnung darf nicht mit einer „ähnlichen“, „vergleichbaren“ oder „entsprechenden“ Norm eines Staates ersetzt werden, in dem die Zielsprache Amtssprache ist. Ganz offensichtlich ist ein dreipoliger schweizer Typ 23 Stecker nach der SN 441011 nicht durch einen britischen „Commonwealth“-Stecker nach der BS 1363 zu ersetzen, obwohl beides Steckernormen für Haushaltsgeräte sind.
Hier bleibt neben der unveränderten Übernahme höchstens ein erläuternder Zusatz, dass es sich um eine nationale Steckernorm handelt.
Bei internationalen Normenwerken liegt der Fall nicht mehr ganz so klar. Ist es wichtiger, die Normen unverändert zu benennen, nach denen ein Produkt konstruiert und gegebenenfalls amtlich abgenommen wurde? Oder sorgt die Harmonisierung dafür, dass man die Leser auf die „gleiche“ Norm in ihrer eigenen Sprache verweisen kann, wenn sie die Konformität prüfen wollen? Kann man also die eingangs erwähnte DIN EN ISO 20607 Sicherheit von Maschinen – Betriebsanleitung – Allgemeine Gestaltungsgrundsätze in der Übersetzung einfach mit NF EN ISO 20607 Sécurité des machines – Informations pour l’utilisation – Principes généraux de rédaction oder BS EN ISO 20607 Safety of machinery – Instruction handbook – General drafting principles ersetzen?
Der sichere Weg, um sowohl die dem Produkt zugrundeliegende Norm zu nennen als auch dem Leser das Verständnis zu erleichtern, um was es geht, läge sicherlich darin, „DIN EN ISO 20607 Sicherheit von Maschinen – Betriebsanleitung – Allgemeine Gestaltungsgrundsätze (Sécurité des machines – Informations pour l’utilisation – Principes généraux de rédaction)“ zu schreiben, doch das verdoppelt den Platz, den die Auflistung der anwendbaren Normen im Dokument benötigt. Platz, der nicht immer zur Verfügung steht oder zumindest Layoutprobleme mit sich bringt.
Die technischen Übersetzer/-innen, mit denen ich bisher darüber gesprochen habe, geben bei harmonisierten Normen der schlichten Übersetzung aus Verständnis- und Platzgründen gerne den Vorzug, allerdings nur, was die Benennung angeht. Da das Produkt aber vermutlich nach einer nationalen Variante der harmonisierten Norm abgenommen wurde, empfinden es viele Kolleg/-innen als problematisch, die Normennummer zu ändern – diese bleibt also unverändert: Aus DIN EN ISO 20607 Sicherheit von Maschinen – Betriebsanleitung – Allgemeine Gestaltungsgrundsätze wird dann schlicht DIN EN ISO 20607 Safety of machinery – Instruction handbook – General drafting principles.
Wie sehen Sie das? Bevorzugen Sie bei Normen in der Übersetzung technischer Dokumente die Originalbezeichnung, einen erläuternden Zusatz oder die Übersetzung mit / ohne Beibehaltung der Normennummer?
Ich freue mich auf Ihre Kommentare!
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