In Teil 1 „Übersetzungsgerechtes Schreiben: Wie senke ich Übersetzungskosten?“ habe ich eine Übersicht über vier Pfeiler für übersetzungsgerechtes Schreiben gegeben. In diesem Beitrag sehen wir uns Anforderungen an den Text selbst an: Worauf kann man schon beim Verfassen achten?
Rechtschreibung und Grammatik
Eigentlich eine selbstverständliche Basis, aber gerade im Web nicht immer ausreichend gewürdigt: Orthografie und Grammatik. Diese Grundregeln legen fest, wie man Wörter schreibt und wie man sie zueinander in Beziehung setzt.
Dabei gibt es online wie offline viele Helfer: Nahezu jedes Programm zum Verfassen von Text hat eine Rechtschreibprüfung, von Texteditoren wie Notepad++ über die bekannten Office-Suiten Microsoft Office und LibreOffice bis hin zu professionellen Autoren- und DTP-Tools.
Selbst Webbrowser kommen heutzutage mit einer Rechtschreibprüfung daher. Plug-ins wie z. B. LanguageTool für Firefox erweitern diese um eine Grammatik- und Stilprüfung, damit Sie auch online oder in webbasierten Umgebungen richtig liegen.
Es gibt also für Texte, die veröffentlicht werden sollen und in die Sie Zeit und Geld investieren, dank der verfügbaren Werkzeuge kaum mehr eine Ausrede: Ein korrekter Text ist Ausdruck Ihrer Wertschätzung für alle, die ihn lesen, verstehen und etwas damit anfangen sollen. Außerdem erleichtern Sie damit auch jede Form von computerunterstützter oder gar automatisierter Weiterverarbeitung, denn Maschinen sind von Fehlern meist leichter aus dem Tritt zu bringen als Menschen!
Syntax und Textstruktur
Die Syntax, also die Satzstruktur, und die auf Satz- und Absatzebene gebildete Textstruktur oder Gliederung bilden Ihre Gedankengänge ab und nehmen Ihre Leser/-innen hoffentlich mit. Wie Sie Informationen, Anweisungen, Meinungen, Referenzen und Zitate etc. anordnen, bestimmt darüber, ob Ihr Zielpublikum – und natürlich die Übersetzer/-innen – Ihnen gedanklich folgen können.
Egal, wie viele Fäden und Muster sie einweben, der berühmte „rote Faden“ sollte sich durch den ganzen Text ziehen.
Führt Ihr Text logisch von den Grundlagen, bestehenden Voraussetzungen und Grundannahmen hin zu einem Schluss oder Ausblick? Sind Sie sich der aktuellen Textgattung bewusst und kennen Sie deren Regeln? Wo Romane mit einem Setting und der Vorstellung der Hauptcharaktere eröffnen, werden Bedienungsanleitungen in der Regel mit dem Abkürzungsverzeichnis und den Sicherheitshinweisen beginnen. Ein Tutorial startet meist mit einer Frage oder einem Problem und führt Schritt für Schritt zu einer Lösung hin.
Fazit: Sich an die Regeln einer Textgattung zu halten und Inhalte entsprechend erwartbar und nachvollziehbar aufeinander aufbauen zu lassen, macht es Übersetzer/-innen und Leser/-innen einfacher. Wenn Sie von einem Gedanken zum nächsten springen oder erst in der Mitte etwas erklären, was für das Verständnis von Anfang an wichtig gewesen wäre, sollten Sie erst den Ausgangstext überarbeiten (lassen), bevor Sie eine Übersetzung beauftragen. Oft kann Ihnen Ihr Übersetzer auch ein Lektorat anbieten.
Stil und Leseransprache: Inklusiv oder ohne Gendern?
Auch der Stil hängt mit der gewählten Textsorte zusammen – und mit ihrer kommunikativen Absicht, mit dem Zweck ihres Textes. Bei Übersetzer/-innen ist die Skopostheorie von Katharina Reiß und Hans J. Vermeer, obwohl auch nicht mehr so jung, doch immer noch ein wichtiger Teil der Ausbildung. Einen fachlichen Überblick gibt z. B. Thomasz Maras auf studia-translatorica.pl [PDF]). Von der kommunikativen Absicht spricht natürlich auch die DIN 8579:2022 Übersetzungsgerechtes Schreiben.
Kurzum: Für wen schreiben Sie? Was ist Ihr Zielpublikum: Laien, Fachkräfte, Spezialisten? Dies bestimmt unter anderem,
- von wie viel Vorwissen Sie ausgehen und wo Sie mit dem Thema einsteigen können,
- wie einfach oder kompliziert Sie Sätze formulieren können und wie lang diese sein dürfen,
- wie Sie Leser/-innen ansprechen: Nominalstil mit Passiv, Siezen, Duzen, dritte Person, Imperativ?
Sie sehen: In der Regel sollten Sie Sätze so einfach wie möglich halten, um die Lesbarkeit zu erhöhen. Davon profitieren am Ende vor allem auch Laien und Nichtmuttersprachler. Ausnahmen davon sind z. B. Rechts- oder Patenttexte, in denen Bandwurm- und Schachtelsätze eine ganz bestimmte Bedeutung haben.
Heutzutage werden Texte meist mithilfe sogenannter CAT-Tools (siehe Info-Box rechts) bearbeitet. Diese funktionieren umso besser, je einfacher strukturiert Sätze sind, da CAT-Tools Algorithmen nutzen, um schon einmal übersetzte Segmente bei nachfolgenden Vorkommen als Vorschlag erneut anzubieten.
Seit einigen Jahren kann je nach Einstellung auch maschinelle Übersetzung (MÜ oder engl. MT; der deutsche Anbieter DeepL ist nur ein Beispiel, viele CAT-Tools haben eigene KI-Systeme im Angebot) Vorschläge beisteuern oder den Text sogar vorübersetzen, dann spricht man nicht mehr von CAT, sondern von Post-Editing (PEMT; Post-Editing Machine Translation; Nachbearbeitung von maschineller Übersetzung) – dies ist jedoch eine gänzlich andere Arbeitsweise als beim Übersetzen und erfordert andere Arbeitsmethoden.
Info: CAT (Computer-Aided Translation; computerunterstützte Übersetzung) zerlegt den Text algorithmisch in „Segmente“, meist Sätze oder Teilsätze, die dem Übersetzer ohne Layout und ohne die meisten Formatierungen angezeigt werden, damit er sich auf den reinen Text konzentrieren kann. Alle übersetzten Segmente werden im Translation Memory (Übersetzungsspeicher) gespeichert und bei einer (Teil-)Übereinstimmung vorgeschlagen. Dies soll die Arbeit beschleunigen und das Ergebnis konsistenter machen, d. h. dafür sorgen, dass gleiche Segmente immer möglichst gleich übersetzt werden. Dazu kommt oft eine Terminologie-Datenbank oder ein Glossar sowie Tools zur Qualitätsprüfung (Übereinstimmung von Zahlen, richtige Konvertierung von Datumsformaten, Rechtschreibprüfung, etc.)
Klar ist jedoch: Bei MÜ wie auch bei MT hängt die Fehlerrate der Maschinen stark davon ab, wie einfach der Ausgangstext geschrieben ist. Ganz typische Fehler sind zum Beispiel das hinzufügen oder weglassen des Wörtchens „nicht”, die falsche Übertragung von Zahlen und Daten, das mehrfache statt nur einmalige Einfügen eines Fragments (Dopplungen im Satz), etc. Trauen Sie lieber einem Menschen mit genug Kaffee oder Tee am Schreibtisch.
Inklusive Sprache
Die Genderfrage, also die Frage, ob Texte inklusiv verfasst werden sollen, ist für Übersetzer/-innen oft vor allem ein Teilaspekt der Frage nach der Verständlichkeit und Übersetzbarkeit von Texten und eine kulturelle Frage. Ob der Übersetzer selbst das gesellschaftspolitische Anliegen dahinter oder die gewählte Methode gut findet oder nicht, ist dabei völlig egal: Als Profi wird er mit dem Text arbeiten, so wie der Kunde oder die Kundin es wünscht.
Klar ist jedoch, dass alle Formen, die zusätzliche Zeichen in ein Wort einbringen, um die Genderneutralität zu betonen (/- _ – : * etc.), die verwendeten technischen Hilfsmittel heraus-, wenn nicht überfordern. Gerade der Stern wird in vielen Programmiersprachen und in regulären Ausdrücken als Platzhalterzeichen genutzt und kann zu technischen Problemen führen, am unproblematischsten kristallisiert sich in der Praxis wohl der Doppelpunkt noch vor der Duden-Lösung mit Schrägstrich-Bindestrich heraus. Es kann also notwendig sein, entsprechende Texte vor der Übersetzung erst vorzubearbeiten und die Genderformen zu entfernen oder in andere, geeignetere Formen inklusiver Sprache umzuformulieren, damit sie ohne Probleme übersetzt werden können.
Dazu kommt der kulturelle Aspekt: Im Englischen stellt sich die Frage wegen der anderen Grammatik ohnehin oft nicht in dem Maße wie im Deutschen, weil es nur ein grammatisches Geschlecht gibt und z. B. Berufsbezeichnungen grundsätzlich neutral gelesen werden. Als genderneutrales Pronomen hat sich im Englischen schlicht „they“ als inklusiver Singular eingebürgert. In Frankreich hingegen ist das Gendern außerhalb junger Communities mit (noch) begrenzter Reichweite kaum angekommen, die Formen mit dem Binnenpunkt („Cher·e·s lecteur·rice·s“) werden von der Académie française abgelehnt; in kanadischem Französisch sieht die Sache schon wieder anders aus.
Ob in einem deutschen Text gegendert wird oder nicht, muss also in der Übersetzung nicht zwingend eine Rolle spielen: Dies liegt vor allem am Kundenwunsch und an der Zielgruppe mit ihrer jeweiligen Kultur. Gerne berate ich Sie, was im Einzelfall sinnvoll ist.
Begriffe, Terminologie und Abkürzungen
Es gibt Textsorten wie die technische Dokumentation, da sollten von vorneherein klare Begrifflichkeiten und Definitionen herrschen, um Missverständnisse und Bedienfehler auszuschließen.
SEO-freundliche Webtexte oder auch belletrististische Texte werden eher dazu neigen, viele Bezeichnungen für ein und dasselbe Bezeichnete zu verwenden, sei es, um besser gefunden zu werden, sei es, um nicht so dröge zu klingen.
Für Übersetzer/-innen (und ihre elektronischen Werkzeuge) wird die Arbeit leichter, wenn es eine möglichst große begriffliche Klarheit und Konsistenz gibt. Die in viele CAT-Tools (siehe oben) integrierte Terminologiedatenbank erlaubt es nicht nur, Begriffe samt Definitionen, Satzbeispielen, Quellenangaben … zu speichern (allgemein oder auch speziell für jeden Kunden, um dessen Sprache zu sprechen), sondern auch, jeder Benennung eine Wertung beizugeben.
Hier bei DeFrEnT heißen die Wertungslevel „Bindend – Empfohlen – Gleichwertig – Abgeraten – Verboten“, und das CAT-Tool wird mir eine Warnmeldung ausspucken, wenn ich für ein Wort in einer Ausgangssprache in der Zielsprache einen mit „Abgeraten” oder „Verboten“ gekennzeichneten Begriff verwende. „Bindende“ Begriffe sind in Gesetzestexten oder Normen festgeschrieben oder wurden mit dem Kunden verbindlich vereinbart, „Empfohlen“ kennzeichnet die bevorzugte Variante und „Gleichwertig“ ihre ebenfalls erlaubten Synonyme. Die EU verwendet hingegen ein Fünf-Sterne-Rating, das angibt, wie zuverlässig eine Begriffsangabe ist. Andere Kolleg/-innen werden eigene Bewertungssysteme haben.
Welches man auch benutzt: Ein Wertungssystem hilft dabei, die mit dem Kunden vereinbarten Begrifflichkeiten und seine Corporate Language zu verwenden und Texte insgesamt eindeutiger und klarer zu gestalten. Dies ist jedoch, wie zuvor erwähnt, bei bestimmten Textsorten wichtiger als bei anderen.
Ich kann auch Ihnen dabei helfen, eine mehrsprachige Terminologie zu entwickeln und festzuschreiben („deskriptive“ und „normative“ Terminologiearbeit), die am Ende auch innerhalb Ihres Unternehmens und gegenüber Ihren Kunden zu einer einheitlicheren, klareren Sprache führt, Missverständnisse vermeiden hilft und daher allen Beteiligten Zeit und Geld sparen kann, wenn sie konsequent angewendet wird.
Abkürzungen sind tückisch
Ein Sonderfall im Bereich der Terminologie sind Abkürzungen. Es gibt ein paar wenige Abkürzungen und Akronyme, die allgemein verständlich sind (etwa „z. B.“ oder „i.V.“), ein paar weitere haben durch große Organisationen oder Normen eine gewisse Verbreitung bei einem bestimmten Publikum erfahren. In vielen Organisationen existieren allerdings unzählige spezielle Abkürzungen, die nur intern bekannt sind und teils sogar nur in einer bestimmten Abteilung so genutzt werden.
Wenn Abkürzungen Bestandteil eines Übersetzungsauftrags werden, ist es daher sinnvoll, ein Abkürzungsverzeichnis mitzuschicken, wenn man ein solches nicht direkt in das Dokument integriert, um unnötige Fragen und damit Verzögerungen zu vermeiden. Ihr Übersetzer oder ihre Übersetzerin berät Sie sicherlich auch gerne dabei, ob es für Ihr Projekt sinnvoll ist, Abkürzungen ebenfalls zu übersetzen oder sie im Original zu belassen und lediglich in der Fremdsprache zu erläutern.
Wenn Sie zu diesen Punkten mehr wissen möchten, berate ich Sie im Rahmen Ihres Übersetzungsprojekts gerne.
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